Werkbund



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WERKBUND und dergleichen....

Prof. Dr. Werner Oechslin, Stiftung Bibliothek Werner Oechslin, Einsiedeln.

Rückblickend äusserte Fritz Schumacher, mit der Gründung des Werkbundes in München anfangs Oktober 1907 sei die kunstgewerbliche Diskussion zu ihrem Ende gekommen. Er hatte damals selbst die Grundsatzrede zu diesem Anlass gehalten und die Intentionen in die Gleichung gefasst, die künstlerische und die sittliche Kraft würden zusammen die wirtschaftliche Kraft bilden. Die ‘Veredelung’ kunstgewerblicher Produkte, wie sie ins Programm des Werkbundes geschrieben wurde, war längst für andere, wirtschaftliche und politische Zielsetzungen ausersehen worden.  Und dafür standen Mentoren wie Friedrich Naumann und Errungenschaften, wie die 1906 in Dresden vorgestellten ‘Maschinenmöbel’. Solchen, sehr viel weiter gespannten Absichten sollte der Werkbund zudienen. Und es war vorprogrammiert, dass sich diesbezüglich unterschiedliche Auffassungen auseinander bewegen und zum Konflikt führen würden. Es betraf zuvorderst die Eigenständigkeit der Kunst und die künstlerische Kreativität 
     Der neugegründete Werkbund war ein weitgefächerter Kulturverband, wobei dann Wolf Dohrn – erster Sekretär aus dem Gefolge von Naumann und insofern politisch geschult – 1908 gleich feststellte, dass nun einmal «materielle Existenzfragen» in einem Staatswesen den Vorzug genössen und so die «Übermacht der Interessenvertretung über jede Kulturgemeinschaft» gegeben sei. Er folgerte, das ‘Kunstgewerbe’ müsse durch «anständige, künstlerisch gute, wirklich gediegene Arbeit ersetzt werden»; in diesem Sinne vermeide der Werkbund «das leidige Wort ‘Kunst’». Ausgerechnet Wolf Dohrn, der im Werkbund keinen Künstlerbund sah und sehen wollte, hat sich dann begeistert von den Tanzkünsten Jaques-Dalcroze’s in Hellerau vom Werkbund ab- und der Kunst zugewandt. Es war das erste eklatante Beispiel dafür, dass das Zusammengehen von Kunst, Industrie und Handel so problemlos nicht sein konnte. Nach dem Krieg hat man Bruno Taut in einer hitzigen Werkbund-Debatte geraten, er solle doch seinen eigenen Künstlerverein gründen.  
    Von solchen Konfliktlagen muss man ausgehen. Den Widersprüchen entspricht der kulturelle Reichtum, die bunte Gemengelage und die Interessenvielfalt im Umfeld des Werkbundes. Man ist dann kaum überrascht, dass Hermann Muthesius 1911 in seiner Dresdener Grundsatzrede «Wo stehen wir?»  den ‘krausen’ Rembrandtdeutschen zitiert, um gegen den Rückgang des Kunstempfindens anzugehen und letztlich seine These zu stützen, wonach die architektonische Kultur der eigentliche Gradmesser für die Kultur eines Volkes überhaupt sei. 
    Dass sich der Werkbund, nachdem die Organisationstelle nach Berlin transferiert worden war, vermehrt der Architektur zuwenden würde, hatte mit der mittlerweile überwundenen kunstgewerblichen Krise zu tun. Es gab nun Wichtigeres und in der Industriebaukunst liess sich – durchaus im Einklang mit Werkbundidealen – die Moderne entdecken, von Messel weg und Peter Behrens zu. Hier lagen die Wurzeln der nach 1918 – nicht im Bauhaus, das von der Rückgewinnung des Handwerks ausging und das Kunstgewerbe fortsetzte – folgenden Entwicklungen. Voller Gegensätze ist auch diese Nachfolgezeit; und alle Einheitsbeschwörungen späteren Datums sind Geschichtsfälschungen und Propaganda. Mit dem Krieg waren die 1907 ist Aussicht genommenen wirtschaftlichen und nationalen Ziele weitgehend obsolet geworden. Die Nähe zum neuen Regime und die nachfolgende Auflösung des Werkbundes war für die Verbliebenen nicht ohne tragische Spur geblieben.


Das Buch ‘Werkbundzeit. Kunst, Politik und Kommerz im Widerstreit" ist im November 2021 in der Edition Akzente im Hanser Verlag in München erschienen.