Rime del Brocardo et d’altri authori, [Venedig: F. Amadi 1538], Titelseite Antonio Brocardo’s (–1531) Gedichtsammlung und letzte Seite mit handschriftlichen Ergänzungen fehlender Stellen durch den Maler Giovanpietro Cavazzoni Zanotti (1674–1765), 1710
Das Kopieren von Büchern ist nach Gutenberg nicht überflüssig geworden. Wo ein Buch nicht unmittelbar greifbar oder sehr selten oder von Mängeln behaftet war, hat man diese alte Möglichkeit der Handschrift genutzt, auch mal ganze Buchteile kopiert, um Fehlendes zu ersetzen.
Antonio Brocardo’s erstmals postum 1538 erschienene «Rime» ist ein durchaus seltener und geschätzter Sammelband von Poesien – auch anderer Autoren. Brocardo der bei Pietro Bembo in die Schule ging, sich dann aber gegen seinen berühmten Lehrer wandte, zog dadurch viel Feindschaft auf sich. Es vergrösserte wohl seine Bekanntschaft, verursachte jedoch – gemäss einigen Aussagen – auch seinen frühen Tod 1531. Nun ziert sein Name den Sammelband verschiedener zeitgenössischer Dichtungen. Wie hoch derlei Veröffentlichungen im Ansehen standen, lässt der erste Satz erkennen, den der Herausgeber Fausto Amadi seiner Widmung voransetzte:
«Conoscendo quanta forza habbia a mover gli affetti humani la Poesia …».
Er nennt die Poesia «un dono, una gratia, & (come essi dicono) un furore celeste & divino». Ein göttliches Geschenk also für den, der diese Kunst beherrscht.
Es ist auch der Grund, weshalb solche ‘Werklein’ immer geschätzt waren und, weil rar, auch stets gesucht wurden, selbst wenn sie Mängel hatten. Unserem Exemplar fehlen die originalen letzten sechs Seiten. Doch der spätere Besitzer, der es in einen neuen Umschlag legte und sich um das Büchlein liebevoll kümmerte, ergänzte in kleiner sorgfältiger Schrift die fehlenden Teile. Er hat seine Arbeit signiert. Es handelt sich um keinen Geringeren als den ersten, lang amtierenden Sekretär der Accademia Clementina in Bologna, Giampietro Zanotti. Gründungsmitglied der Akademie und selbst Maler war er mitverantwortlich für die Erneuerung der bolognesischen Malerei in der grossen Tradition der Carracci und hat sehr viel später, 1756, die kleinen «Avvertimenti di Giampietro Cavazzoni Zanotti Per lo incamminamento di un Giovane alla Pittura» veröffentlicht.
So findet sich also in Brocardos Gedichtsammlung am Ende der letzten dem Kardinal Hippolito de Medici gewidmeten Verse die Unterschrift:
«Di me Giovampietro Cavazzoni Zanotti
Pittore
1710.»
WOe, 17.12.2024
Avvertimenti di Giampietro Cavazzoni Zanotti Per lo incamminamento di un Giovane alla Pittura, Bologna: Lelio dalla Volpe, 1756
18.12.2024